«bad governance» – Verfallsdatum abgelaufen

Dieser Artikel erschien in der Nummer 1/2001 der Finanzplatz Informationen

Anfangs November wurden auf Bankkonten in der Schweiz Gelder des peruanischen Geheimdienstchefs Vladimiro Montesinos aufgedeckt – wegen dringendem Verdacht auf Geldwäscherei. Seither haben die Schweizer Behörden ungewohnt rasch und gezielt gehandelt. Gerätselt wird allerdings sowohl über die Hintergründe der hierzulande angehäuften Vermögen, als auch über die (politischen) Hintergründe der Kontensperren. Warum erfolgten sie erst jetzt? Und den Nichtregierungsorganisationen in Perú brennt vor allem eine Frage unter den Nägeln: Wie kommen die Gelder zurück nach Perú, beziehungsweise wie können sie dort dem sozialen Aufbau des Landes zufliessen?

Peter Stirnimann*

Lima/Perú, 3. November 2000: Wie eine Bombe schlug die Mitteilung in politischen Kreisen ein, dass Vladimiro Montesinos, die graue Eminenz und Drahtzieher der korrupten peruanischen Regierung, 48 Millionen US-Dollars auf Bankkonten in der Schweiz besitze und diese Konten gesperrt wurden. Die Nachricht eröffnete der Justizminister dem Parlament, nachdem er eine diplomatische Note aus der Schweiz erhalten hatte. Die Schweizer Regierung bat darin Perú, entsprechende Untersuchungen über die Herkunft dieser Gelder anzustellen, denn es bestehe schwerer Verdacht auf Geldwäscherei.

Die Information aus der Schweiz liess das bereits sehr wackelige Gebäude der Regierung Fujimori endgültig zusammenstürzen. Unanfechtbar kam langsam ans Tageslicht, was alle schon lange wussten: dass in Perú während zehn Jahren nicht eine rechtsstaatlichdemokratische Regierung regierte, sondern eine korrupt-mafiöse, gewalttätige Clique herrschte. Dies unter dem Diktat des Präsidentenberaters und Chefs des Geheimdienstes Vladimiro Montesinos, welcher untergetaucht war und bis heute flüchtig ist.

Fujimori packte darauf ebenfalls seine Sachen. Mit vollbepacktem Präsidentenflugzeug floh er ins Land der aufgehenden Sonne, seinem Heimatland, woher er als kleiner Junge mit seiner Mutter nach Perú emigrierte. Am 19. November sandte er aus Tokyo sein offizielles Rücktrittsschreiben nach Perú. Das Parlament akzeptierte diesen Rücktritt nicht, sondern enthob ihn aufgrund unmoralischer Amtsführung seines Amtes, was ihn nicht weiter zu stören braucht. Als japanischer Staatsbürger wird er nicht an Perú ausgeliefert und kann nun unbehelligt seinen Lebensabend geniessen. Finanziell ist er auch abgesichert. Auf seiner Heimreise nach Japan machte er noch rasch in Singapur Zwischenhalt. Dort löste er eine Firma aus seinem Privatbesitz (!) auf und überwies den Gewinn von 18 Millionen US-Dollars auf eine japanische Bank…

Rätsel um Hintergründe der Kontensperren

Was den Fall Montesinos neben der filmreifen inneren Dramaturgie für die Schweiz spannend macht, ist das ungewohnt rasche und gezielte Handeln der offiziellen Schweiz. Was steckt dahinter?

Eine erste These: Die Schweiz hat aufgrund ähnlicher Skandale gelernt. Sie war von Anfang an darum bemüht, alles gut und richtig zu machen, um den erneuten Schaden in Bezug auf das Image des Finanzplatzes Schweiz möglichst gering zu halten. Dies war nicht allzu schwierig, denn die entdeckten Montesinos-Konten wurden bei Banken blockiert, welche nicht in schweizerischem sondern in israelischem und kanadischem Besitz waren. Man musste sich nicht mit Schweizer Banken anlegen.

Eine zweite These: Die Schweiz hat nicht nur aufgrund eines vollzogenen Lernprozesses agiert sondern unter Druck der US-amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA. Laut Medienberichten soll die DEA den entscheidenden Hinweis gegeben haben, dass Montesinos Konten in der Schweiz unterhalte. Das DEA-Geheimdienstnetz verfügt weltweit über die beste Sammlung von Daten über illegale Geldtransaktionen vor allem aus dem Drogenhandel. Von Montesinos war seit Jahren bekannt, dass er im Drogengeschäft mitmischelte, ohne dass etwas gegen ihn unternommen wurde. In US-amerikanische Ungnade fiel der ehemalige CIAAgent erst durch einen Waffenhandel mit der kolumbianischen FARC-Guerilla. Zwischen März und Juli 1999 wurde dieses grösste Guerilla-Heer Kolumbiens mit 10’000 KalashnikovGewehren durch Montesinos versorgt. Dieses Geschäft wurde vermutlich als Tauschhandel abgewickelt: Waffen gegen Drogen.

Mit der FARC-Geschichte hat Montesinos bei den US-Amerikanern endgültig das Fass zum Überlaufen gebracht. Er und das Fujimori-Regime, welches sich im April 2000 durch einen Wahlbetrug an der Regierung hielt, mussten aus US-amerikanischer Sicht verschwinden. Den ersten Coup landeten die US-Geheimdienste am 17. September, als sie ein Video an die Öffentlichkeit brachten, welches Montesinos in seinem Büro zeigt, wie er einen oppositionellen Abgeordneten mit 15’000 US-Dollar in bar besticht, damit dieser ins Lager von Fujimori überwechsle. Mit dieser Veröffentlichung begann der Anfang vom Ende des “Fuji-Montesinismo”. Der Endcoup war die “Aufdeckung” der Montesinos-Konten in der Schweiz.

Eine dritte These: Die Schweizer Regierung stand nicht nur vom Ausland her unter Druck, rasch zu handeln, sondern auch vonseiten des Parlamentes. Remo Gysin Nationalrat (SP/BS) und AFP-Vorstandsmitglied reichte bereits am 5. Oktober 2000 eine Interpellation für den Fall ein, dass in der Schweiz Konten der Montesinos-Fujimori Entourage bestünden. Seine vorsorgliche Aktion wurde von der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien und der AFP vorbereitet und forderte: ”Angesichts der offensichtlichen mafiösen Verflechtungen Montesinos ist der Bundesrat heute gefordert, alle in seiner Macht liegenden Massnahmen zu ergreifen, um eine Blockierung allfälliger Montesinos- bzw. Fujimori-Gelder in der Schweiz zu erwirken, wie dies im Falle der Abacha- und auch im Falle der Milosevic-Gelder gemacht wurde.” Für einmal handelte der Bundesrat ganz in unserem Sinne. Trotz dieses begrüssenswerten Agierens bleiben für uns Fragen offen, welche den Finanzplatz Schweiz betreffen.

Geldwäscherei-Verfahren – warum erst jetzt?

Laut unseren Abklärungen hat eine der involvierten Banken selbst bei der Meldestelle für Geldwäscherei Meldung über ein verdächtiges Montesinos-Konto erstattet, worauf die ganze Geschichte ins Laufen kam. Dass dies zum Zeitpunkt erfolgte, als die politische Demontage von Montesinos voll im Gange war und nicht schon früher geschah, stellt nicht nur die involvierte(n) Bank(en) in ein schiefes Licht. Es wirft auch Fragen auf bezüglich der Effektivität des im Geldwäschereigesetz (Art.9) geregelten Meldeverfahrens und der Meldestelle für Geldwäscherei. Es erhärtet darüber hinaus die These von der aktiven Rolle der DEA. Dass Montesinos illegale Machenschaften längst bekannt waren, beweist ein NZZArtikel vom 21.September 1996 mit dem Titel „Geheimnisumwitterter Montesinos“. Darin wird ein Drogengeld-Skandal beschrieben, nach welchem sich Montesinos 1991 und 1992 vom Mafiaboss „Vaticano“ monatlich 50’000 US-Dollar als Schutzgeld überweisen liess. Nichtsdestotrotz boten offenbar Banken in der Schweiz dem Präsidentenberater Fujimoris und Geheimdienstchef unhinterfragte Anlagefreiheit. Damit deckten und ermöglichten sie wie viele Banken anderer Länder die korrupte Gewaltherrschaft und die “bad governance” der vergangenen zehn Jahre in Perú. Erst als die USA daran waren, das Regime zu stürzen, begann das schweizerische Geldwäscherei-Meldeverfahren zu funktionieren. Warum erst dann? Es drängt sich für uns die Frage auf, wann die Banken und die Meldestelle für Geldwäscherei wirklich aktiv werden. Tun sie dies erst, wenn es im Einklang mit dem politischen Machtkalkül der USA steht, oder war der Fall Montesinos purer Zufall?

Montesinos-Gelder – zurück nach Perú

Eine weitere Frage betrifft die Zukunft der Gelder auf den Montesinos-Konten. Werden die Gelder nach Abschluss des Geldwäschereiverfahrens an den peruanischen Staat zurückgeführt oder in der Schweiz konfisziert? Juristisch ist die Sache recht komplex und hängt von der Art der Delikte ab, mittels welcher Montesinos das Vermögen angehäuft hat (Korruption, Waffen- , Drogenhandel). Kommt hinzu, dass im Falle einer Konfiskation sowohl die Zweckbestimmungs- wie die Aufteilungsfrage zwischen Bund, Kantonen und ausländischen Staaten rechtlich nicht klar geregelt ist. Zur Zeit wird deshalb ein Gesetzesvorschlag von Bundesrätin Ruth Metzler zur “Teilung eingezogener Vermögenswerte” diskutiert. Der Vorschlag konzentriert sich nur auf die technische Verteilung der Gelder und sieht keine Zweckbindung eingezogener Vermögenswerte vor. Die Vorstellung, dass aufgrund unserer internen Gesetzeslage die beschmutzten Gelder von Montesinos zu guter Letzt in den Staatstöpfen von Zürich und dem Bund verschwinden, das heisst dass sie zur Stopfung der hiesigen Budgetlöcher und nicht für den dringend notwendigen sozialen Aufbau Perús verwendet werden können, stösst jeden ethisch-politisch denkenden und fühlenden Menschen vor den Kopf. Deshalb sind wir zusammen mit einem Netzwerk peruanischer Nichtregierungsorganisationen daran, eine Kampagne in die Wege zu leiten mit dem Arbeitstitel “Montesinos-Gelder – zurück nach Perú”. Die peruanischen NGOs zusammen mit fortschrittlichen ParlamentarierInnen wollen in Perú ein Gesetz durchbringen, welches garantieren soll, dass die hoffentlich einmal rückgeführten Gelder aus der Entourage von Montesinos und Fujimori wirklich zugunsten des Volkes eingesetzt werden und nicht wieder in der Schweiz auf Konten neuer Korruptionspolitiker landen.

* Peter Stirnimann ist Fachexperte für internationale Drogenpolitik der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien und Mitglied des AFP-Vorstandes.

Kasten:

Montesinos-Affäre weitet sich aus

Wegen Verdachts auf Geldwäscherei wurden anfangs November vier Montesinos-Konten mit insgesamt 48 Mio. Dollar blockiert. Verwaltet werden die Gelder von den ausländisch beherrschten Banken Crédit Agricole Indosuez, Bank Fibi und Bank Leumi. (Letztere ist inzwischen auch wegen eines Veruntreuungsfalls durch deren Direktor in die Schlagzeilen geraten.) Gemäss der Bezirksanwaltschaft Zürich stammen die Montesinos-Gelder grösstenteils aus Kommissionszahlungen, denen Waffengeschäfte zwischen Russland und Perú zugrunde liegen. Ob dabei auch Korruption im Spiel war, wird noch geprüft. – Wie im nebenstehenden Artikel erwähnt, forderte die Schweiz Perú auf, ein Rechtshilfegesuch zu stellen und Dokumente über die gesperrten Konten zu beantragen. Infolge der inzwischen eröffneten Verfahren in Perú sind nun zwei solche Ersuchen eingetroffen. (TA, 10.1.01) Mitte November sind bei Fibi, Leumi sowie bei Crédit Lyonnais (Suisse) in Zürich fünf weitere Bankkonten mit einem Totalbetrag von 22 Mio. Dollar gesperrt worden. Diese sind zwar nicht Montesinos zuzuschreiben, hängen aber ebenfalls mit Zahlungen aus diesen Waffengeschäften zusammen. Nach Auskunft der Zürcher Behörde führten auch die UBS-Filiale in Lugano und die Bank Leu in Zürich Montesinos-Konten. Diese wurden im Verlauf des letzten Jahres jedoch saldiert und die Guthaben auf seine übrigen Konten transferiert. Untersuchungen zu weiteren bisher nicht gesperrten Konten sind noch im Gang. Um hierzulande die sich ausweitenden Ermittlungen weiter zu bringen, hat nun die Schweiz ihrerseits die peruanischen und die russischen Behörden auf dem Weg der Rechtshilfe um weitere Abklärungen ersucht.

(NZZ, 29.11.00) Gertrud Ochsner
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